22. November 2006: Zweiter
Inländerstammtisch
Die Zukunft der Schule und ihre Bedeutung für die Integration
„Die
Zukunft der Schule und ihre Bedeutung für die Integration“ war das
Thema des 2. Inländerstammtisches der SPD Bergedorf am 22. November um
19.30 Uhr in der Gaststätte „Zum Gewerkschaftshaus“ (Am Pool 41).
Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Aydan Özoğuz machte dabei vor
knapp 30 Interessierten deutlich, dass Bildung nicht erst in der Schule
anfängt, sondern schon im Kindergarten. Bereits dort, aber auch in der
Schule müsse größter Wert auf den Deutschunterricht gelegt werden.
Zugleich warnte Özoğuz vor einem Auseinanderfallen der Stadt.
Seit
den Pisa-Studien wissen wir, dass das deutsche Bildungswesen im
allgemeinen und das in Hamburg im besonderen nicht so erfolgreich sind,
wie viele Menschen bisher meinten. Aus dieser Erkenntnis entstand eine
Bildungsdebatte, die in Hamburg vor allem um die Zukunft der Schule geführt
wird.
Beim
2. Inländerstammtisch der SPD Bergedorf betonte aber Aydan Özoğuz,
Fachsprecherin für Migration der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft,
dass diese Debatte zu kurz greife. Bildungspolitik fange schon im
Kindergarten an und es spielten dabei mehrere Dinge eine Rolle. Das
Kernproblem sei, dass in Deutschland der soziale Hintergrund und die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Elternhauses stärker über die
Zukunftschancen eines Kindes entschieden als in anderen Ländern. Dies
gelte auch und gerade für Kinder mit Migrationshintergrund. So habe das
Kind eines türkischen Arbeiters eine 6-fach niedrigere Chance, das
Abitur zu machen, als das Kind eines deutschen Arztes, führte Özoğuz
aus. Um das zu ändern, reiche es nicht aus, einfach nur die Schule in
die Länge zu ziehen (mehr Ganztagsschulen) oder ihre Strukturen zu verändern
(Einführung der Einheitsschule). Die Probleme fingen schon viel früher
an, nämlich im Kindergarten. Özoğuz stellte dar, dass der Besuch
einer Kita insbesondere für Migrantenkinder wichtig sei. Denn je länger
diese eine Kita besuchten, desto besser seien später ihre schulischen
Leistungen. Daher wären die Überlegungen, ein Kitajahr beitragsfrei zu
gestalten, ein richtiger Schritt
Der
zentrale Punkt ist dabei für Özoğuz der Erwerb der deutschen
Sprache, der schon in den Kitas massiv gefördert werden müsse.
Allerdings sei es auch sinnvoll, insgesamt mehr Wert auf
Zweisprachigkeit zu legen, weil das künftig eine wichtige Ressource
sein könne. Leider sei das alles gegenwärtig in Hamburgs Kitas nur
schwer möglich, da der CDU-Senat unter Ole von Beust bei den Kitas
deutlich gespart habe. So würden heute zwar mehr Kinder in Kitas
betreut, aber von weniger Erziehern. Und durch die Einführung von Gebühren
für die Vorschulen durch die CDU gebe es heute weniger Vorschulkinder
in sozialen Brennpunkten wie z. B. Billstedt, kritisierte Özoğuz.
Was
also ist strukturell zu tun? Für den Kitabereich forderte Özoğuz
eine bessere Ausbildung der Erzieher durch ein Hochschulstudium wie z.
B. in Dänemark, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden und
dem Berufsbild mehr Anerkennung zu Teil werden zu lassen. Mehr Geld sei
dabei natürlich unerlässlich. Im Schulbereich muss nach Özoğuz
vor allem das frühe Aussortieren von Kindern und deren Verteilung auf
verschiedene Schulformen reduziert werden durch eine Verringerung der
Vielgliedrigkeit des Schulsystems. Denn insbesondere Migrantenkinder würden
häufig in Sonder- oder Förderschulen abgeschoben, obwohl sie nicht dümmer
als andere Kinder seien, sondern häufig nur Probleme mit der deutschen
Sprache hätten. Mit Ausweitung der Ganztagsschulen könne man der
Vernachlässigung der Kinder durch ihre Eltern vorbeugen. Und Özoğuz
sprach sich auch für mehr Begabtenförderung aus, um diese Ressourcen
nicht zu vergeuden. Doch auch im Schulbereich werde es ohne mehr
Investitionen z. B. in mehr Lehrer nicht gehen.
In
der spannenden und intensiv geführten Diskussion wurde viele der von Özoğuz
angesprochenen Aspekte weiter vertieft. So wurde angeregt, dass Erzieher
in Kindergarten doch zwei- oder mehrsprachig sein sollten, um besser mit
den Kindern, aber auch mit deren Eltern kommunizieren und bei Problemen
früher eingreifen zu können. Zumindest müsse es in jeder Kita oder
Schule eine Vermittlungsperson zwischen Deutschen und Migranten geben.
Deutlich wurde auch, dass der Begriff „Migrationshintergrund“ nicht
sehr aussagekräftig ist, weil es inzwischen zu viele Menschen gebe, auf
die dieses „Etikett“ zutreffe. Aber Äußerlichkeiten spielten doch
eine Rolle, wie Özoğuz an einem Beispiel deutlich machte. So hätten
in einem Modellversuch Arbeitssuchende mit fremdländischen Namen
seltener ein Vorstellungsgespräch bekommen, als wenn sie keinen Namen
angegeben und nur ihre Qualifikationen eine Rolle gespielt hätten.
In
ihrem Fazit nach rund 2½ Stunden betonte Özoğuz noch einmal, dass
die gezielte Förderung der Kinder in Kitas und Schulen sowie die
bessere Vernetzung dieser beiden Bereiche der wichtigste Ansatz seien.
Der Sprachförderung müsse dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt
werden. Dabei müsse auch beachtet werden, dass Migranten keine homogene
Gruppe bildeten, sondern es sehr viele Unterschiede gebe. Und
eindringlich warnte Özoğuz vor dem weiteren sozialen
Auseinanderfallen der Stadt.
Zukünftige
Themen des Inländerstammtisches könnten nach dem Wunsch der Teilnehmer
die Integrationsangebote in Bergedorf oder auch das integrative Wirken
des Sports und der Sportvereine (Erfahrungsaustausch) sein.
Michael
Schütze
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