07. Februar 2007: Dritter
Inländerstammtisch
Das Hamburger Integrationskonzept - Chancen und Probleme
Aus allen Nähten platzte der kleine Sitzungsraum in
der Gaststätte "Zum Gewerkschaftshaus" beim 3.
Inländerstammtisch der SPD Bergedorf am 07. Februar. Rund 40
interessierte Bürger wollten mit den Referenten über das
Integrationskonzept des Hamburger Senates diskutieren. Einig war man
sich nach der 2½-stündigen Veranstaltung, dass es mehr interkulturelle
Begegnungen zwischen Deutschen und Migranten geben, Integration also zum
Volkssport gemacht werden müsse, wie es Bezirksamtsleiter Christoph
Krupp formulierte.
Rund
40 interessierte Bürger kamen am 07. Februar um 19.30 Uhr zum 3.
Inländerstammtisch der SPD Bergedorf in die Gaststätte "Zum
Gewerkschaftshaus" (Am Pool 41). Zum Thema "Das Hamburger
Integrationskonzept - Chancen und Probleme" referierten Bergedorfs
Bezirksamtsleiter Christoph Krupp (SPD), der Vorsitzende des Vereins der
Deutschen aus Rußland Gottlieb Krune und der stellvertretende
Vorsitzende der türkischen Gemeinde Hamburg Hüseyin Yilmaz.
Krupp:
"Integration zum Volkssport machen"
Krupp
stellte dabei die wesentlichen Punkte des Integrationskonzeptes vor,
dessen großes Verdienst es sei, dass endlich ernsthaft über
Integration diskutiert werde. Damit werde der Realität Rechnung
getragen, dass jeder vierte Hamburger einen Migrationshintergrund habe,
man also zusammen und miteinander leben müsse. Die kulturelle Vielfalt
werde als Bereicherung und Herausforderung für die Gesellschaft
angesehen, ende aber auch beim Grundgesetz, das z. B. die
Gleichberechtigung von Frau und Mann vorsehe. Das Konzept lege großen
Wert auf die Beherrschung der deutschen Sprache, betone aber auch die
positiven Aspekte der Mehrsprachigkeit. Deutsche wie Migranten müssten
sich gegenseitig respektieren und gemeinsam Anteil nehmen an der
Werteentwicklung der Gesellschaft. Insofern übernehme das Konzept das
Prinzip des Förderns und Forderns, meinte Krupp. Konkrete positive
Punkte des Konzeptes seien das Welcome-Center für Hochqualifizierte,
womit der Senat endlich anerkenne, dass Hamburg qualifizierte
Zuwanderung brauche, das Ziel, bis 2010 20% aller Ausbildungsplätze im
öffentlichen Dienst mit Migranten zu besetzen, und das Eingeständnis,
dass Kinder- und Jugendeinrichtungen wichtig seien für Spracherwerb und
Integration, da es
dort teilweise einen Migrantenanteil von 60% gebe.
Krupp
fand aber auch kritische Worte. So wolle der Senat zwar die
hohe Arbeitslosigkeit bei Ausländern reduzieren, bleibe aber dabei viel
zu unkonkret. Dies gelte auch insgesamt für das Integrationskonzept, das nur sehr
allgemein formuliert sei, lediglich das zusammenfasse, was es ohnehin
schon gebe, und kein neues Geld für Integrationsarbeit zur Verfügung
stelle. Auch richte sich das Papier nur an die dauerhaft hier
lebenden Ausländer, nicht aber an die mit einem prekären
Aufenthaltstatus, und schweige sich
darüber aus, wie die Aufnahmebereitschaft der Deutschen gefördert
werden könne. Hier plädierte Krupp dafür, "Integration zum
Volkssport zu machen". Abschließend ging er noch auf das Projekt
"Integration braucht Begegnung" in Lohbrügge-Ost ein, bei dem
unter anderem Schülercoaches, kulturelle Projekte und integrative
Stadtteilarbeit (Kinderrestaurant, Familienhaus) mit einem Schwerpunkt
im Billebogen geplant seien.
Krune:
Integrationsbeauftragter für Bergedorf nötig
Gottlieb
Krune kritisierte in seinem Vortrag den Begriff "Migrationshintergrund",
weil er sehr unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Zielen
zusammenfasse. Viele Aussiedler, die gut integriert seien, fühlten sich
dadurch abgestempelt und erniedrigt, strebten sie doch die Assimilation
an. Gleiches gelte für die Bezeichnung "Russen", wenn von
Aussiedlern gesprochen werde. In Russland seien die Aussiedler die
"Deutschen" gewesen und hier nun die "Russen". Krune forderte Aussiedler energisch dazu auf, sich ehrenamtlich in
Vereinen zu engagieren, um so zu zeigen, was sie könnten. Doch werde
das viel zu wenig gewürdigt. Krune lobte das Integrationskonzept, zumal
es im Verantwortungsbereich der 2. Bürgermeisterin liege, und forderte
in diesem Zusammenhang einen Integrationsbeauftragten für Bergedorf. Insgesamt müsse das
Bezirksamt in Bergedorf offener für Zuwanderer werden, mehr Aktionen für
sie durchführen. Und Krune sprach auch das Problem an, dass vielen gut
ausgebildeten Aussiedlern ihre in Russland erworbene Ausbildung in
Deutschland nicht anerkannt werde. Es sei "beschämend", dass
dieses Potential nicht genutzt werde. Dies zeige auch eine gewisse
Ablehnung den Aussiedlern gegenüber und das müsse geändert werden.
Yilmaz:
"Migranten können viel geben, es muss aber auch angenommen
werden"
Hüseyin
Yilmaz ging zu Beginn seiner Ausführungen auf den Widerspruch ein, dass
er zwar Vorsitzender einer Partei, als Türke aber nicht Bürgermeister
werden könne. Ähnlich widersprüchlich sei die gegenwärtige Situation
in Deutschland, bei der es zwar einerseits verstärkte
Integrationsbemühungen gebe, aber auch andererseits zunehmenden
Rassismus. Yilmaz bekannte sich ausdrücklich zum Prinzip des Förderns
und Forderns, verlangte aber, dass zunächst gefördert werden müsse.
Dabei verwies er auf die hohe Arbeitslosigkeit und die niedrigen Löhne
von Migranten sowie auf den großen Anteil von Migranten ohne
Schulabschluss (20%) oder nur mit Hauptschulabschluss (35%). Besonders
im überaus wichtigen Bildungsbereich müsse ganz dringend etwas getan
werden. Yilmaz strich die Bedeutung des Erwerbs der deutschen Sprache
heraus, mahnte aber zugleich die Förderung des Türkischen an. Und er
betonte die Bedeutung des Sports für die Integration, doch müssten
sich hier auch die Vereine bewegen und mehr Angebote machen. Sein Fazit,
"Migranten können viel geben, es muss aber auch angenommen
werden", fand großen Anklang bei den Anwesenden.
An
die Vorträge schloss sich eine lebhafte, auf hohem Niveau stehende
Diskussion an, bei der insbesondere Krunes Vorschlag eines
Integrationsbeauftragten für Bergedorf auf große Zustimmung stieß.
Einigkeit herrschte auch darin, dass es mehr Begegnungen zwischen
Deutschen und Migranten geben müsse, so wie das jetzt schon mit dem
Inländerstammtisch der SPD Bergedorf oder der deutsch-türkischen Teestunde des Vereins
türkischer Rentner der Fall sei. Offenheit und Begegnung seien
notwendig für die Integration. Es wurde zudem deutlich, dass solche
interkulturellen Begegnungen wichtig sind für den Erwerb der
deutschen Sprache durch Migranten. Insbesondere fehlten
Gesprächsangebote für Frauen, die einen Deutschkursus absolviert und
dann keine Gelegenheit hätten, ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. Denn
nur mit der Kenntnis der deutschen Sprache könnten die Migranten sich
zum Gastland bekennen, sich dort integrieren. Daher sprachen sich die Diskussionsteilnehmer auch für die Kostenfreiheit von
Vorschulen aus, weil dies dem Spracherwerb von Migrantenkindern diene.
Zur Sprache kam auch die Abschiebung von Afghanistanflüchtlingen, die
einhellig abgelehnt wurde. Und
zwei Anregungen für einen der nächsten Inländerstammtische gab es
ebenfalls: die Schaffung von Ausbildungsplätzen durch türkische
Unternehmer und die Anerkennung von Berufsabschlüssen von Aussiedlern.
Michael
Schütze
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