03. Juli 2008: Sechster
Inländerstammtisch
Jugendkriminalität im Bezirk Bergedorf - Situation, Ursachen
und Konsequenzen
Wie es mit der Jugendkriminalität im Bezirk
Bergedorf bestellt ist, wo die Ursachen liegen und welche
Lösungsansätze möglich sind, das diskutierte die Bergedorfer
SPD mit 24 Interessierten am 03. Juli 2008 im Begleiter,
Ludwig-Rosenberg-Ring 47, bei ihrem sechsten
Inländerstammtisch. Als Referenten standen der
Jugendbeauftragte der Bergedorfer Polizei, Werner Springer, der
Bergedorfer Jugend- und Familienrichter Olof Masch sowie Frank
Hüttmann vom Internationalen Bund zur Verfügung.
Zunächst
gab der Jugendbeauftragte der Bergedorfer Polizei Werner
Springer einen Überblick über die Situation der
Jugendkriminalität in Bergedorf. Ein Drittel aller in Bergedorf
erfassten Straftäter sind demnach unter 21 Jahre alt, darunter
sind 268 Kinder (bis 13 Jahre), 620 Jugendliche (bis 17 Jahre)
und 444 Jungerwachsene (bis 21 Jahre). Diese Täter sind zu
70-80 Prozent männlich und haben zu mehr als 20% einen
nichtdeutschen Pass. Bei den Straftaten ist eine Zunahme der
Körperverletzungsdelikte zu beobachten, wobei Alkohol eine
große Rolle spielt. Besonders auffällig ist laut Springer
Neuallermöhe mit seiner sehr jungen Bevölkerung, von denen
viele Migranten sind. Da sich dort sehr viele Aussiedler - im
Bezirk Bergedorf beträgt deren Anteil rund 20% - auf der
Straße seien, um sich die Zeit zu vertreiben, bestehe ein
schlechtes subjektives Sicherheitsgefühl. Objektiv sei es aber
"relativ ruhig". Die aktuellen Fallzahlen seien zudem
fallend.
Jugendrichter Olof
Masch bestätigte im Grunde die Einschätzung Springers, wonach
die Jugendkriminalität in Bergedorf "unauffällig"
sei. 40% der jugendlichen Straftäter seien Deutsche ohne
Migrationshintergrund, 60% hingegen Migranten. Insofern habe die
Staatsangehörigkeit wenig Aussagekraft.
"Besorgniserregend" sei die drastische Zunahme der
Gewaltkriminalität, bei der der Anteil der Täter mit
Migrationshintergrund sogar 80% betrage, von denen 33%
Aussiedler, 29% Türken und 14% Iraner seien. Insgesamt hätten
43% der jugendlichen Gewalttäter einen islamischen Hintergrund.
Die Gewalttaten konzentrierten sich hauptsächlich auf
Neuallermöhe und Lohbrügge. "Alkohol ist das
Problem", betonte Masch, denn bei allen Gewalttätern sei
Alkohol im Spiel, "Allah hilft da wenig!" Die
höchsten Promillewerte wiesen allerdings die Aussiedler auf.
Häufiger Tatauslöser sei dabei die vermeintlich verletzte
"Ehre" (der Mütter, Schwestern etc.). Die meisten der
Straftäter hätten zudem keinen Schulabschluss.
Auf die Ursachen
dieser Gewaltkriminalität ging dann der Straßensozialarbeiter
Frank Hüttmann vom IB ein. Da Neuallermöhe ein kinderreicher
Stadtteil sei, sei dort auch die Jugendkriminalität höher.
Deren Ursache liege in der häuslichen Gewalt, in der Erziehung
und im Umfeld, denn "Gewalt erzeugt Gewalt". Vor allem
bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund gebe der Vater
das Rollenbild vor, der häufig Konflikte mit Gewalt löse.
Folglich werde Gewalt eingesetzt, um sich einen bestimmten
Status in der Gruppe zu erwerben. Dies sei angesichts der
vorherrschenden Armut der Betroffenen häufig der einzige Weg
zum Statuserwerb. Diese Perspektivlosigkeit sei Folge der
fehlenden einfachen Arbeitsplätze. Das daraus resultierende
mangelnde Selbstbewusstsein werde durch Gewalt kompensiert.
Hüttmann betonte aber zugleich, dass die beschriebenen Probleme
nur Risikofaktoren seien und nicht notwendigerweise zu Gewalt
führen müssten. Dennoch sei klar, dass "Migration als
solches eine Erschütterung" sei, zumal sie häufig nicht
freiwillig erfolgt sei. Um diesem Teufelskreis aus
Perspektivlosigkeit und Gewalt vorzubeugen, müsse möglichst
frühzeitig der Kontakt zu den Familien hergestellt werden.
Leider würden die Pädagogen jedoch zu häufig als
"Feuerwehr" missbraucht. Eine Vernetzung von Schule
und Jugendhilfe sei ebenso nötig wie die Reglementierung des
Alkoholkonsums und die polizeiliche Kontrolle von Plätzen.
Außerdem müssten gerichtliche Sanktionen schnell erfolgen. Und
nicht zuletzt müsse den Jugendlichen etwas zu tun gegeben
werden.
In der
anschließenden Diskussion waren die Anwesenden darin einig,
dass die Erziehung ein ganz wichtiges Problem sei, zumal viele
Eltern mit Migrationshintergrund hierbei überfordert seien.
Auch müsse es mehr Kontakte zwischen Menschen mit und ohne
Migrationshintergrund geben. Letztlich sei aber die Armut ein
wichtiger Faktor bei der Jugendkriminalität, weshalb ein
Hauptaugenmerk auf den Bildungs- und Spracherwerb gelegt und
eine Perspektive gegeben werden müsse. In dem Zusammenhang
wäre es von großer Bedeutung, wenn es im öffentlichen Dienst
(Schöffen, Polizei, Lehrer, Straßensozialarbeiter etc.) mehr
Menschen mit Migrationshintergrund geben würde, die mehr
Verständnis für die Situation der Migranten hätten und auch
als Vorbilder dienen könnten. Aber auch die Vermittlung der
Werte des Grundgesetzes in Schule und Familien sei nötig. Das
positive Schlusswort kam aber von Werner Springer: "Unsere
Jugendlichen sind besser als wir denken und können mehr!"
Michael
Schütze
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