10. Mai 2007: Vierter
Inländerstammtisch
Integration in der Praxis - Erfahrungsberichte von Migranten
Der
4. Inländerstammtisch der SPD Bergedorf beschäftigte sich am 10. Mai
mit der Theorie und Praxis der Integrationskurse für Zuwanderer. Marion
Ellenberger vom Internationalen Bund gab einen Überblick über den
Inhalt der Kurse, anschließend berichteten vier junge Migrantinnen von
ihren Erfahrungen. Dabei wurde schnell deutlich, dass das Hauptproblem
darin bestehe, die in den Integrationskursen erworbenen deutschen
Sprachkenntnisse auch danach weiter zu vertiefen. Hier kann letztlich
nur mehr ehrenamtliches Engagement helfen, um den Migranten den Kontakt
zur deutschen Bevölkerung zu erleichtern, z. B. durch Stadtteillotsen,
die den Migranten ihren Stadtteil erklären.
Das
2005 von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder
verabschiedete Zuwanderungsgesetz verpflichtet Ausländer dazu, einen
Integrationskurs zu absolvieren, bei dem sie die deutsche Sprache
erlernen und Kenntnisse über Land und Leute erhalten. Wie sehen diese
Kurse aus, welche Erfahrungen haben Absolventen mit ihnen gemacht und
welche Möglichkeiten haben Migranten, das in den Kursen erworbene
Wissen zu vertiefen, insbesondere ihre neuen Sprachkenntnisse zu
erweitern? Diese Fragen diskutierte der 4. Inländerstammtisch der SPD
Bergedorf am 10. Mai 2007 mit 22 interessierten Bürgern unter der
Überschrift "Integration in der Praxis - Erfahrungsberichte von
Migranten" im Pavillon der türkischen Rentner und Alten in
Bergedorf, Oberer Landweg 2a.
Zunächst
gab Marion Ellenberger vom Internationalen Bund (IB), der selbst
Integrationskurse anbietet, einen Überblick darüber, wie diese Kurse
aussehen und welche Erfahrungen der IB bisher damit gemacht hat. Die
Kurse hätten einen Umfang von 630 Unterrichtsstunden, verteilt auf
fünf Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche, so dass sie in sechs
Monaten absolviert seien. 600 Unterrichtsstunden entfielen dabei auf den
Erwerb der deutschen Sprache, unterteilt in einen Grund- und in einen
Aufbaukurs von je 300 Stunden. Nach beiden Kursen gebe es
Zwischenprüfungen. Anschließend würden den Teilnehmern in einem
30-stündigen Orientierungskurs Grundkenntnisse über den deutschen
Staat, Politik und Kultur beigebracht nach dem Motto "Wie geht
Deutschland?". Danach gebe es eine externe Abschlussprüfung und,
bei Erfolg, ein B1-Zertifikat über die erfolgreiche Absolvierung des
Integrationskurses. Laut Ellenberger gibt es 41 Träger in Hamburg, die
berechtigt seien, Integrationskurse anzubieten, nur 14 täten das
allerdings auch. In Bergedorf gebe es vier Träger, darunter der IB und
die Caritas. Für die Kurse des IB, die aus 25 Teilnehmern bestünden,
gebe es eine Wartezeit von bis zu zwei Monaten.
Als
Grundprobleme der Kurse benannte Ellenberger das sehr unterschiedliche
Niveau der Teilnehmer in bezug auf die Deutschkenntnisse. Auch hätten
nur Migranten ohne deutschen Pass einen Anspruch auf die Kurse, viele
Spätaussiedler fielen somit durch den Rost. Zudem seien die Kurse nur
für Hartz-IV-Empfänger kostenfrei, alle anderen Personen müssten
einen Euro pro Unterrichtsstunde bezahlen. Kostenlose Fahrkarten für
die Teilnehmer gebe es nicht und einen Anspruch auf eine Kita-Karte
hätten die Betroffenen zwar, doch müssten sie dennoch den Elternanteil
bezahlen. Dies sei dann insgesamt eine nicht unerhebliche Belastung für
die Migranten, betonte Ellenberger.
Nach
dem einleitenden Referat von Ellenberger kamen vier junge Migrantinnen
aus Russland, der Türkei, Ghana und Tunesien zu Wort, die seit ein bis
fünf Jahren in Deutschland leben und von ihren Erfahrungen berichteten.
Sie erklärten, dass sie insbesondere durch den Orientierungskurs viel
über die deutsche Kultur gelernt hätten, letztlich dieser Teil des
Integrationskurses aber viel zu gering gewesen sei, um einen umfassenden
Überblick zu erhalten. Hier sei es dann doch mehr um das (sehr
anstrengende) Pauken von Wissen gegangen, von dem sie daher mittlerweile
wieder die Hälfte vergessen hätten. Positiver bewerteten die jungen
Frauen den Sprachkurs selbst. Zwar seien 600 Stunden zum Teil auch zu
wenig, doch hätten sie dabei ihre deutschen Sprachkenntnisse erheblich
verbessern können. Vorher sei das nur durch das Fernsehen möglich
gewesen. Tatsächlich sprachen alle vier Migrantinnen gutes,
verständliches Deutsch. Geholfen hat ihnen dabei nach eigener Aussage
auch, sich mit Freunden unter einander auf Deutsch zu unterhalten. Das
sei auch während der Unterrichtspausen möglich gewesen, weil die
Teilnehmer aus sehr verschiedenen Ländern kämen und die einzige
gemeinsame Sprache meistens Deutsch sei. Insgesamt beklagten sich die
Migrantinnen, dass sie nur wenig Möglichkeiten hätten, die erworbenen
Sprachkenntnisse anzuwenden und zu vertiefen.
In
der Diskussion wurde dieses Problem weiter erörtert. Ellenberger wies
daraufhin, dass Einrichtungen wie das Kifaz Kommunikationskurse
anböten, in denen Migranten Deutsch sprechen könnten. Allerdings sei
das Angebot in Bergedorf eher gering, auch wenn hier noch eine
Zusammenfassung des vorhandenen Angebots fehle. Und besonders junge
Migrantinnen mit Kindern könnten sich den Weg in die Innenstadt nicht
leisten. Daher wurde eine verstärkte ehrenamtliche Integrationsarbeit
angeregt. Einheimische könnten doch Migranten in Alltagssituationen
begleiten, um ihnen so zu helfen. Ein erster Schritt dazu wäre es, in
die Integrationskurse zu gehen und einen ersten Kontakt zu den Migranten
herzustellen und dann mit diesen gemeinsam etwas zu unternehmen. Ein
ähnliches Projekt gebe es bereits im Schanzenviertel mit sogenannten
Stadtteillotsen. In die gleiche Richtung geht die Idee der
Vereinspatenschaften. Dabei könnten sich Vertreter von Vereinen in den
Sprachkursen den Migranten vorstellen und sie so auf die Möglichkeiten
aufmerksam machen, aktiv werden zu können. Denn das Hauptproblem der
Migranten sei es, die große Hemmschwelle zu überwinden, trotz
vermeintlich schlechter Sprachkenntnisse Kontakte zu knüpfen. Zu den
Integrationskursen selbst wurde angeregt, spezifische Kurse für Frauen,
Eltern und Jugendliche anzubieten und die Stundenzahl auf 930 zu
erhöhen, wobei auch Stundenkontingente für die Träger der Kurse
eingeführt werden könnten. Diese könnten dann frei entscheiden,
welcher Migrant mehr oder weniger Stunden braucht. Und einen weiteren
Tipp gab es auch noch: viel Lesen, wobei man mit Kinderbüchern anfangen
solle!
Michael
Schütze
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